Thomas Friese / Immobilienexperte
Digitales Wirtschaftswunder: das virtuelle Bauamt, von Heiko Brunzel Bauunternehmer

Nudging – warum Treppen oder Aufzug nehmen?

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Nudging in der Architektur – „Anstupsen“ um Verhalten zu ändern, das Unterbewusstsein zu stärken oder Manipulation? Von Heiko Brunzel, Bauunternehmer aus Velten, Gründer der Brunzel Bau GmbH

Jeder macht es. Es ist ein fester Bestandteil des Know-hows unserer Bundeskanzlerin in ihren komplexen Verhandlungsgesprächen. Und wir erleben es im Alltag regelmäßig. Die Rede ist von Nudging, ein Synonym für anregen, lenken, formen.

Durch clevere Strategien bewirken wir unbewusst Verhaltensänderungen bei unseren Mitmenschen oder werden beeinflusst. Die Nudging Methode wird in den unterschiedlichsten Branchen angewandt. Mit einem „kleinen Stoß“ wird ein bestimmtes Verhalten gefordert. Wie funktioniert das?

Einführung „ Nudging “ – Wo findet sich das im Alltag?

http://static.zoonar.de/img/www_repository1/17/5d/00/10_b5a8849b34e7cfaad6c5bf8a3cf9e08e.jpgObst, das uns im Supermarkt zum Anbeißen beleuchtet auf Augenhöhe zum Kauf von gesunden Lebensmitteln verführt. Ein kleines Fußballtor im Urinal, das die Männer besser zielen lässt. Im Marketing ist diese Methode weit verbreitet. Der Begriff ist nicht bekannt? Die simple Übersetzung verdeutlicht was  Nudging  bedeutet: vereinfacht „An stupsen“. Die aus der Politik stammende Methode zeigt Entscheidungsoptionen auf, regt an, formt und lenkt. Dabei wird ein Arbeitsprozess gezielt in Gang gesetzt.

Der Diskussionsbeitrag schildert die Methode Nudging an einem einfachen Beispiel den Grundlagen der Arbeit von Bauherrn, Architekten und Bauunternehmen.  Nudging ist kein Designgag, sondern ein in die tägliche Arbeit etablierter Bereich. Der Beitrag ist ein verschriftlichter Vortrag im Rahmen der Erwachsenenbildung bei der Brunzel Bau GmbH aus Velten in Brandenburg.

Design-Gags oder echte Ideen für eine bessere Welt

„Viele nette Nudges, die mir in den Sinn kommen, funktionieren nicht ohne ein tatsächlichen Problem welches es als Ausgangs Situation zu lösen gilt. Um Misserfolgeu verhindern und die Chance auf erfolgreiche Nudges zu erhöhen, teile ich meine eigenen Erfahrungen mit Nudging“, begrüßt Heiko Brunzel die Diskussionsrunde.

Was ist Anstupsen / Anstoßen?

Was ist das Anstupsen. Es gibt verschiedene Definitionen von Nudging, die eine umfassender als die andere. Aber die Grundidee ist wie folgt: Nudging akzeptiert die Autonomie des Menschen. Um Menschen zu ermutigen, Entscheidungen zu treffen, die zu ihrem eigenen Vorteil und/oder zugunsten des Staates oder der Gemeinschaft sind.

Es antwortet auf die Herausforderung einer Welt in der wir überall und ständig Entscheidungen unbewusst treffen. Oft sind wir mit den Gedanken in der nächsten Besprechung oder beim Einkaufszettel, wenn wir den Weg zur U-Bahn entscheiden oder den Schokoriegel auswählen. Wir denken nicht gründlich über jede kleine Entscheidung nach. Unsere Aufmerksamkeit wird an anderer Stelle benötigt.

Um vernünftig gute Entscheidungen zu treffen, verwenden wir Signale aus der Umwelt und Faustregeln. Diese Art der Entscheidungsfindung ist empfindlich gegenüber den Einflüssen des Wahlkontexts – der Art und Weise, wie die Umgebung eingerichtet wird, der Reihenfolge, in der die Wahlmöglichkeiten angeboten werden. Eine gute Voraussetzung für effektives Nudging! Das anpassen des Wahlkontextes ermöglicht uns den Schub in die richtige Richtung zu geben. Wie lassen sich vernünftige, arbeitende Nudges herstellen?

http://ais.badische-zeitung.de/piece/07/45/96/31/122000945.jpg Ein Beispiel für erfolgreiches Nudging aus der Architektur ist das klassische Urinal. Es ermöglicht dem Benutzer durch Anleitung den Reinigungsaufwand zu verkleinern.

Das lässt sich auf Eingangsgestaltungen und Treppen übertragen. Im besten Falle sind diese einladend und ungefährlich.

Da menschliches Verhalten von vielen Faktoren beeinflusst wird, ist nicht vorher zu sagen, wie eine bestimmte Intervention verlaufen wird. Es gibt keine einzige Formel oder Patent zur Anwendung. Beim Nudging geht es darum, Dinge auszuprobieren und zu schauen, was funktioniert und was nicht. Es besteht die Möglichkeit die Anzahl der Versuche, vor dem Erfolg, zu begrenzen. Heiko Brunzel erläutert einen Leitfaden in fünf Schritten. Sie sind simpel und basieren auf der wissenschaftlichen Methode.

1. Was ist das Problem und was ist das Ziel?

Der erste Schritt zu einem effektiven Ansatz/Nudging, ist, zu definieren, welches Problem zu lösen gilt. Das ist grundlegend. Definieren bedeutet, das Beschreiben des gewünschten Verhaltens, das Ziel. Überprüfen Sie, ob das Verhalten, ein tatsächliches Problem in der speziellen Situation ist, in der Sie Ihr Nudging platzieren werden.

Brunzel Bau Velten/BrandenburgEin Beispiel aus dem Bereich der Gesundheitsfürsorge: wissenschaftlich wurde untersucht, wie sich die Umgebung, die die Treppe hinaufführt, auf die Menge der Besucher, die die Treppe nehmen, auswirken. Die Ausgangssituation war, dass drei Viertel der Besucher den Aufzug in einem bestimmten Gebäude nahmen. Das verbraucht viel Energie, was schlecht für die Umwelt ist. Darüber hinaus sind die Treppen (für die meisten Menschen) gesünder, körperliche Bewegung. Das Beispiel spielt in einem Gebäude, in dem im Ersten Stock die Besucher eine Arztpraxis aufsuchen. Für körperlich eingeschränkte Personen zum Beispiel Rollstuhlfahrer, ist der Fahrstuhl unerlässlich. Treppenlaufen ist ansonsten gesund und fördert die Gesundheit.

Wie zum Treppenlaufen überzeugen? Auf den ersten Blick, ein Dilemma. „Wie schaffen Sie es bestimmte Menschen unbewusst zu motivieren, den für sie besten Weg/die Treppe zu nehmen? Eine gute Ausgangssituation für effektives Nudging.“

2. Welche psychischen Prozesse spielen bei diesem Verhalten eine Rolle?

Wenn das Problem und Ziel klar definiert wurde, ist es nützlich, zu identifizieren, welche psychologischen Prozesse eine Rolle bei dem Verhalten spielen, das geändert werden soll. Zielführende Frage ist, warum Menschen ein bestimmtes Verhalten zeigen oder nicht zeigen. Das sind wichtige Informationen für ein effektives Nudging. Mögliche Fragen sind:

  • Was motiviert Menschen in dieser Situation?
  • Entscheiden sie sich für Autopilot oder denken sie, bevor sie handeln?
  • Welche Vorurteile spielen in dieser Situation eine Rolle?
  • Welchen Einfluss hat das Verhalten anderer?

Werden solche Fragen nicht gestellt, ist zwar ein Super-kreativer, gutaussehender Nudge entworfen, der aber nicht funktioniert, weil der Fokus auf die falschen psychologischen Prozesse konzentriert wurde. Es ist unmöglich alle psychologischen Prozesse hinter bestimmten Verhaltensweisen herausfinden.

Vielleicht ist in diesem Schritt das Nudging nicht die Richtige Alternative für das Erreichen des Verhaltens, diese Überlegung darf nicht fehlen. Strafen oder Belohnungen zu verwenden ist eine andere Möglichkeit. Die am besten geeignete Situation zum Anwenden von Nudging ist, wenn eine Lücke zwischen Absicht und Verhalten besteht. Menschen haben die Absicht, das Richtige zu tun, tun es am Ende nicht. Ein Beispiel ist jemand, der meint, „Naturschutz ist wichtig“ und gleichzeitig das Licht anlässt oder anstatt die naturschonende Fahrradmobilität das Auto bevorzugt. Wichtig ist herauszufinden, was das „Etwas“ ist, das sicherstellt, dass die Absicht nicht zum Handeln führt – im oben erwähnten Beispiel, weil der Lichtschalter an einem unlogischen, nicht sofort sichtbaren Ort ist – müssen die obigen Fragen gestellt werden. Nudging wird schwieriger, wenn Menschen bewusst das Verhalten wählen, das verhindert werden soll. Damit ist es unwahrscheinlich, dass ein kleiner Stoß in die richtige Richtung/Nudging einen Effekt haben wird.

3. Gestaltung des „Anstupsens“

http://static.zoonar.de/img/www_repository1/17/5d/00/10_b5a8849b34e7cfaad6c5bf8a3cf9e08e.jpgDas Problem ist herausgearbeitet, das Ziel festgelegt und geprüft, was steht im Weg? Heiko Brunzel ergänzt: „Der Architekt wünscht die Benutzung der Treppe. Für die Gestaltung des Nudging sind neue Ideen nötig. Leichter gelingt die Gestaltung, Dinge, die sich bewährt haben, zur Anwendung gebracht werden. Auch im Nudging wird das Rad nicht zwingend neu erfunden. Das gilt bei der Entwicklung eines Anstoßes unter ständiger Berücksichtigung an die psychologischen Prozesse. Konzentration dabei liegt nicht auf ein „cooles“ Aussehen. „Natürlich funktioniert ein gutaussehender Anstoß besser als ein ungeschickter. Aber Design ist im Fall von Nudging grundsätzlich kein Ziel, sondern ein Mittel, um Effektivität zu erreichen“, erläutert Bauunternehmer Heiko Brunzel.

Jedes Detail in der Umgebung hat Auswirkungen darauf, was Menschen tun. So ergab eine Studie zum Energieverbrauch von Haushalten, dass die Hinzufügung von (positiven und negativen) Emoticons zu den Informationen über den relativen Energieverbrauch im Vergleich zum Nachbarn für die Reduzierung des durchschnittlichen Energieverbrauchs wesentlich war. Aber kleinere Details wie Farbe, Form und genaue Platzierung des Anstoßes sind entscheidend.

4. Testen und bewerten des Anstoßes

Der logische nächste Schritt besteht darin den Anstoßtest und die Operation auszuwerten. Es macht keinen Sinn, anzuwenden, was nicht funktioniert. Das Nudging läuft Gefahr, viel Zeit, Geld und Möglichkeiten zu verlieren. Wichtig ist in jedem Fall eine Messung vorzunehmen, bevor der Schubs initiiert wird und eine weitere Messung, während des Nudging Versuchs. Berechnung der Differenz um den Erfolg ein zu ordnen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, welche Informationen für die Sammlung noch relevant sind. Diese zusätzliche Information helfen zu erklären, warum ein Schubs funktioniert oder nicht. Dies ermöglicht bessere Chancen für Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Um in dieser Phase Verbesserungen zu erzielen ist es nötig so lange zu testen, bis der perfekte Anstoß für einen Mega-Hit geschaffen wird, verdeutlicht Heiko Brunzel.

5. Manipulation durch  Nudging ?

Die Menschen legen großen Wert auf ihre Freiheit oder Autonomie. Ein geäußertes Argument gegen die Verwendung von Nudging ( Nudging durch die Regierung wird stark kritisiert) ist, dass es manipuliert, bestimmte Entscheidungen zu treffen und somit die Autonomie beeinflusst. Das Argument macht Sinn, sobald die Aussendung nicht von der Umwelt stattfindet, um bestimmte Entscheidungen zu treffen, und ein Anstupsen ein manipulierendes Steuerungselement in die Umgebung bringt.

Aber das ist nicht der Fall, wir werden ständig vom Wahlkontext gesteuert und beeinflusst.  Selbst wenn Entscheidungen getroffen werden, die nichts in den Auswahlkontext ändern, sind sie verantwortlich, in welche Richtung die Leute geschickt werden. Ein Schubs/Nudging in die richtige Richtung scheint positiv zu sein. Wenn Autonomie als fähig definiert wird, in Übereinstimmung mit dem Wünschen zu handeln, dass das An stupsen/Nudging in vielen Fällen die Autonomie stärkt. „Anscheinend sind wir nicht in der Lage, die für uns optimale Wahl zu treffen. Nudging hilft uns, im Einklang mit unseren tieferen Absichten zu handeln und somit unsere Autonomie zu stärken. Ich denke, dass das Nudging in Bereichen wie Gesundheit und Nachhaltigkeit eine unschuldige Intervention ist. Wichtig ist eine Transparenz über Ihre Absichten zu schaffen. Wenn Menschen wissen und erfahren, dass sie „manipuliert“ werden, ist ihre Autonomie weniger betroffen, weil sie über alle Informationen verfügen, die sie für eine autonome Entscheidung benötigen. Nudging ist für das Gemeinwohl“, verdeutlicht Heiko Brunzel.

6. Lösung – wann nehmen die Menschen Treppen und nicht den Aufzug

https://i.pinimg.com/736x/17/96/0f/17960fb84c0e903f4610a8d980c7d488.jpg Die Lösung der Ausgangsfrage liegt auf der Hand: die Menschen gehen nach Betreten eines Hauses in Blickrichtung weiter. Durch die Gestaltung von Licht, gleichförmigen Boden zwischen Eingangsbereich und Treppe, eine Beschilderung Richtung Treppe stärkt die Orientierung und durch die erfolgreiche Anordnung von Treppen und Aufzügen gelingt das Nudging Richtung „Treppenlaufen“.

„Wer glaubt ein simples Schild reicht, der irrt. So funktioniert weder Nudging noch menschliches Verhalten. Wir folgen zum größten Teil unserem Unterbewusstsein. Dieses reagiert unteranderem auf Beschaffenheit des Lichts und des Raumes. Von solchen natürlichen, menschlichen Eigenschafften lebt des längeren Prozesses der Lösungsfindung beim Nudging,“ beendet Hans Heiko Brunzel unter tosendem Applaus seinen Vortrag über Nudging in der Architektur.